15 Aussagen, die ein Autor nicht mehr hören kann
Ein Blog von Maximilian Wust
US-Magazine der 60er haben sie wohl erfunden, die BRAVO in den 90ern nach Deutschland gebracht, das Internet machte sie groß und YouTube berühmt: Gemeint sind die endlosen „10 Dinge, die ich an dir hasse!“-Listen. Und weil der Werbetexter in mir eine Trendhure sondersgleichen ist, mache ich natürlich mit.
Hier also 15 Aussagen, die ein Autor hasst.
Kurzer Disclaimer: Damit ich nicht nur von meinen Erfahrung spreche, habe ich zudem diverse, schreibfreudige Bekannte nach ihren Erfahrungen gefragt. Meine persönlichen Antworten gibt’s für alle Lesewütigen ausklappbar in einem Spoiler-Tag unter der jeweiligen Frage.
„Du bist kein Autor, wenn du kein Buch bei einem richtigen Verlag veröffentlicht hast!“
Was soll man darauf antworten? Zwischen den Zeilen ist das schlicht ein Vorwurf, um einem Künstler seinen Wert oder direkt das Talent abzuerkennen. Diesen Satz habe ich jedenfalls noch nie in einem konstruktiv-kritischen Ton gehört.
Ist man auch kein Sportler, solange man nicht gegen Geld in einer Mannschaft spielt? Autor ist, wer schreibt; Zeichner ist, wer zeichnet. Geh und lache über die Gestalten bei DSDS, wenn du Frust loswerden willst!
Seitdem ich über einen Kleinverlag veröffentlicht habe – kein Kostenvorschussladen, keine Selbstpublikation, sondern ein „richtiger“ – durfte ich mir übrigens einfach die Steigerung dieser Aussage anhören: „Du bist kein Autor, wenn du nicht über einen großen Verlag veröffentlicht hast!“ Und sollte ich das jemals erreichen, wird es der Literaturnobelpreis sein, der richtige Autoren von hoffnungslosen Träumern unterscheidet.
„Ich glaube nicht, dass man ohne entsprechendes Studium Autor werden kann!“
Ein weiterer Satz aus dem Universum der unterschwelligen Vorwürfe. Übersetzt heißt es doch immer sowas wie: „Ich glaube nicht, dass DU ein Autor werden kannst.“
Ich glaube, dieser Satz stammt aus dem Neid: Viele Menschen, beginnend ab Mitte 20, hassen Träumer. Sie halten sie für naiv, traurig infantil und irgendwo, melodramatisch ausgedrückt, für einen Grabstein ihrer eigenen Hoffnungen. Träumer haben halt noch nicht aufgegeben. Sie sitzen nicht von 8 bis 17 Uhr in der Arbeit, zelebrieren den Feierabend mit Bier und inhaltslosem Fernsehprogramm und betrauern das viel zu kurze Wochenende. So wie es jeder tut. Tun muss.
Besonders wütend werden übrigens die Kommentare, wenn man nebenher noch Vollzeit arbeitet und eine Beziehung am Laufen hat. „Wann willst du dann noch Zeit für eine Familie haben?“, fragte mich ein typischer Nörgler Anfang 40, als ihm die Argumente ausgingen. Er selbst hatte sich die Familiengründung jedoch auch erspart, und zwar „weil die Welt immer schlimmer wird“.
Meine Antwort: Kaum einer der „großen, richtigen“ Autoren hat Germanistik, Literatur oder Journalismus studiert. Klar, Kerstin Gier und Nadine Erdmann sind Germanistikerinnen und Rebecca Gablé ist Literaturwissenschaftlerin, aber schon z.B. mein Lieblingsautor:
Stanislaw Lem: | war Mediziner, |
Frank Schätzing: | Kommunikationswissenschaftler, |
Andreas Eschbach: | studierte Luft- und Raumfahrttechnik |
Michael Ende: | lernte Schauspielerei |
Sebastian Fitzek: | studierte Jura |
Cornelia Funke: | Pädagogik und später Illustration, und |
Walter Moers: | lernte lediglich Kaufmann (angeblich, über ihn ist fast nichts bekannt) |
Im Allgemeinen werden Germanistik- und Literatur-Studiengänge massiv überschätzt, was den Autorenberuf angeht. Niemand würde heute ein Das Leiden des jungen Werther lesen wollen, das ein Germanistiker verfassen kann. Niemand will in jedem zweiten Satz ein Fremdwort finden, das sogar auf Wikipedia in über vierzig Zeilen erklärt werden muss.
Wenn etwas er Ausbildung zum Autor nahekommt, dann ist das aus meiner Sicht ein Journalismusstudium oder eine Lehre zum Medienkaufmann, da man dort gezielt lernt, komplexe Sachverhalte in einfachen Worten auszudrücken. Aber selbst das ist kein Garant für einen guten Schreiber! Gute Charaktere stammen sowieso mehr aus der Ecke empathischer Fähigkeiten, guter Beobachtungsgabe und sozialer Intelligenz und gute Plots meistens aus … hm, einer grauenvollen Kindheit? Realitätszerfressendem Wahnsinn?
Die Frage, die wahrscheinlich jeder Schreiber (von Hobby bis Beruf) zu hassen gelernt hat. Nicht, weil sie falsch oder dreist oder dämlich ist, sondern einfach weil sie fast immer gestellt wird … und meistens schon gleich zu Beginn.
Die Wahrheit ist immer langweilig.
So auch in der kreativen Szene: Viele Ideen stammen aus mentalen Leerlaufzeiten, wenn ihr Erfinder mal nichts zu tun hatte: unter der Dusche, auf dem Klo, in der Bahn, beim Training oder vor einem betäubend langatmigen Film. Andere wurden in der Zusammenarbeit mit anderen kreativen Köpfen entwickelt oder stammen (in selteneren Fällen) sogar direkt aus dem Brainstorming mit dem Verleger. Sie werden von anderen und besseren Autoren geklaut (und zwar oft) oder stammen einfach aus dem Leben. Der exzentrische Bühnenbildner z.B., der die Protagonistin zu Beginn der Liebeskomödie für eine andere verlässt, hatte vielleicht zuvor schon Kontakt mit der Autorin, die ihn schrieb.
Erwähnenswert ist vielleicht noch die Antwort einer Kollegin aus dem Milieu aufstrebender Autoren: Auf die Frage, woher ihre Ideen kommen, antwortete sie: Vom Masturbieren. Ihre besten Ideen entstünden im Zustand des kenjataimu, den klaren, von allen Instinkten befreiten Sekunden nach dem Orgasmus. Dass sie bei so viel knallharter Ehrlichkeit noch keinen Bestseller geschrieben hat, wundert mich.
„Kann man damit Geld verdienen?“
Nee. Aber man kann hoffen, damit Geld zu verdienen.
Laut Statistik (einfach mal von der Website von Andreas Eschbach geklaut) können nicht einmal einhundert aller kommerziellen, also aus Gewinngründen veröffentlichenden Autoren Deutschlands davon auch leben. Für sie gilt: Auf die Zukunft hoffen und die Rechnungen mit einem anderen Job bezahlen.
Versuch’s lieber mit Lotto!
„Was stresst du dich so, ob sich dein Buch verkauft / veröffentlicht wird? Was verlierst du denn, wenn’s nicht klappt?“
Diesen Satz hasse ich! Von allen Sätzen auf dieser Liste, ist er tatsächlich der Einzige, den ich wirklich nicht leiden kann und den ich in der ersten Veröffentlichungsphase von Land der verlorenen Dinge einfach zu oft gehört habe. Was es dabei noch schlimmer gemacht hat, ist, dass er jedes Mal gut gemeint war.
Für kaum einen Künstler ist Kunst einfach nur so ein Ding nebenher. Klar, das Leben (und die Miete) macht es dazu, aber es gibt einen Grund, warum Kreative für ihre Leidenschaft Zeit, Geld, Chancen, Arbeitsstellen oder sogar Beziehungen opfern. Nennen wir ihn ganz melodramatisch Hingabe oder eine selbst auferlegte Mission vom großen Gott der Künstler … oder vielleicht die Hoffnung, doch noch irgendwann einen Durchbruch zu erleben. Das zu entwerten – und sei es aus guter Absicht – tut einfach weh.
Lass mich das anhand von Harry Potter erklären: Stell dir vor, der junge Harry setzt sich zu Schulbeginn den Sprechenden Hut auf, aber statt einem Haus zugewiesen zu werden, erkennt der spitzgewebte Lumpen plötzlich: „Oh je. Du bist hier falsch! Da halt wohl schon wieder jemand die falsche Adresse angeschrieben. Sorry Junge, Hogwarts ist nix für dich. Tschüssili!“
Auf dem Weg zurück nach Hause, sagt dann Dumbledore wohlmeinend: „Was grämst du dich so, dass du kein Zauberer wirst? Du kannst immer noch Bürokaufmann werden.“
Harry würde als Erwachsener wahrscheinlich sogar in irgendeinem einem Büro arbeiten, vielleicht nur eine Häuserecke vom Zauberei-Ministerium entfernt, aber so oder so würde ihn ein Leben lang das Gefühl quälen, für etwas anderes, größeres bestimmt gewesen zu sein.
… also, falls Dumbledore seine Erinnerungen nicht per Amnesia-Spruch löscht und ihn an die Dursley-Familie zurückgibt, die offensichtlich einen Serienmörder züchten will.
„So schwer kann es nicht sein: Du sitzt vor deinem Computer und denkst dir Geschichten aus!“
Dieser Gedanke geht wie ein böser Geist durch alle Kreativbranchen: Ein Werbetexter „schreibt doch nur was“, ein Grafiker „macht ein bisschen mit Photoshop rum“, der Illustrator ist sowieso der leichteste aller Berufe, schließlich „Hab‘ ich in der Schule auch gemalt, wenn mir langweilig war“ und der Autor „denkt sich den ganzen Tag bloß Geschichten aus“. Noch furchtbarer fühlen sich diese Sätze an, wenn sie von Leuten kommen, die Stunden ihrer täglichen Arbeitszeit vor Facebook oder 9GAG verbringen und ihr Gehirn nach Feierabend mit der neuesten Staffel von Bauer sucht Frau betäuben.
Schreiben ist Arbeit. Entgegen dem Klischee aus Sex and the City, Californication und Erotikthrillern mit Sharon Stone tippt vermutlich kaum ein Autor seine Geschichten nebenher in die Tastatur, trinkt dazwischen einen Markenkaffee und trifft sich abends mit mysteriösen Schönheiten. Recherchen, Gedanken, Konzeptionsphasen, Korrekturen über Korrekturen und Stunden, die man hier und da dem Selbsthass gönnt, fressen oft und gern jede freie Minute eines Schreibers, bevor er überhaupt an die eigentliche Arbeit geht. Das Gefühl der Überarbeitung, Einsamkeit, Selbstzweifel, dazwischen noch das Unverständnis von Nicht-Kreativen sind eine traurige Selbstverständlichkeit.
Hinzu kommt außerdem, dass wie gesagt kaum ein Schreiber von seiner Kunst leben kann, was wiederum bedeutet: Die gesamte schöpferische Arbeit findet im Regelfall in Mittagspausen, im Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub statt. Solche Möglichkeiten wie Wolfgang Hohlbein, der sein Erstlingswerk in den Leerlaufzeiten seines Nachtwächterjobs verfasste, hat eigentlich niemand.
„Wenn es dir nicht gefällt, warum machst du es dann noch?“
Die Frage ist tatsächlich gerechtfertigt … und grausam noch dazu.
Umso schöner ist es allerdings, dass mir meine Schriftstellerbekannten fast immer dieselbe Antwort gaben: Kaum ein Kreativer hasst seine Passion. Schreiben, Zeichnen, Musikmachen, Grafik, eben Kunst kann unglaublich viel Spaß machen, durchaus sehr erholsam sein und im Bestfall sogar zu schwindelerregenden Epiphanien führen (dem Äquivalent zum runner’s high aus der Jogger-Szene und ein irres Gefühl).
Was daran stört, ist einfach die Zeit, die sie in Anspruch nimmt: Verlorene Feierabende, geopferte Wochenenden oder verpasste Events – fast jeder Kreative hat irgendwann eine tolle Party oder vielleicht sogar ein Date sausen lassen, weil ihm seine Kreativität lieber war. Von dem Stress und dem Hirnschmalz, den ein brauchbares Werk oft abverlangt, einmal abgesehen.
Warum tut er es dann trotzdem?
Mein Onkel Josef, vom Beruf Komponist und Dirigent sagte dazu einmal sehr treffend: „Manchmal ist der Drang (zum Musikmachen) so groß, als müsstest du pinkeln. Je länger du wartest, umso dringender wird es!“
So ist es zumindest bei mir: ein Drang. Vielleicht brauche ich es, um so das Erlebte zu verarbeiten. Vielleicht muss ich ab und an aus dieser Welt fliehen und mir eine eigene erschaffen, vielleicht ist es ein unterbewusstes Streben nach Anerkennung oder mein Hirn braucht einfach regelmäßig seine Dosis an kreativer Herausforderung. So oder so: Wenn ich mir zu lange nichts ausdenke und ausarbeite, werde ich unglücklich und emotional. Noch länger und ich fühle mich wie ferngesteuert, während mein Verstand damit beginnt, sich selbst aufzufressen (übertrieben ausgedrückt).
Es tat mir gut, zu erfahren, dass viele andere ähnlich fühlen.
Als pseudo-poetische Antwort zum Schluss will ich noch den Kung-Fu-Panda Chen Sturmbräu aus World of Warcraft zitieren: „To ask why we fight is to ask why leaves fall: It is in their nature. […] The true question is: What is worth fighting for?“ Oder: Gib’s auf! Dafür gibt’s keine Erklärung! Künstler sind einfach verrückt!
„Sind deine Arbeiten eigentlich autobiografisch?“
Gegenfrage: Ist dein Facebook-Profil eigentlich autobiografisch? Sieht nämlich verdammt fiktiv aus!
Spaß beiseite: Vermutlich ist jede Arbeit eines jeden Künstlers irgendwo an Erlebnissen in seinem Leben angelehnt (siehe Punkt 3, den exzentrischen Bühnenbildner), allerdings würde ich da nicht zu viel hineininterpretieren. Meiner Erfahrung nach greifen gerade junge Schreiberlinge auf Erlebtes zurück, wenn sie noch nicht so fit und so schnell im Ausdenken neuer Geschichten sind oder wirklich etwas verarbeiten wollen, aber auch sie übertreiben dabei oft, verfälschen, romantisieren oder extrapolieren.
Ein gutes Beispiel hierfür ist sind Webcomics wie Ctrl + Alt + Del oder Press Start To Play. Beide Werke begannen wie viele ihrer Vorfahren und Nachkommen als Online-Tagebücher und erzählten offensichtlich aus dem Leben des Zeichners und seinem direkten Umfeld (meistens sind die Hauptpersonen sogar nach ihnen benannt), entwickelten aber mit der Zeit ein Eigenleben und formten Geschichten, die kaum noch mit dem Leben der Macher zu tun hatten.
Ansonsten ist auch der berühmte Dr. Watson, bester Freund des Sherlock Holmes, stark an seinen Schöpfer Arthur Conan Doyle angelehnt und der Indiana Jones-Abklatsch Dirk Pitt teilt sich so einige Eigenschaften mit seinem Erfinder Clive Cussler (Sahara). Gordon Freeman (Half-Life) und Max Payne sind physisch sogar direkt den Lead Designerin der jeweiligen Spiele nachempfunden. Keiner von ihnen jagt jedoch Aliens, Mörder oder Schätzen nach. Die Realität stand wie schon so oft einfach „nur“ Pate.
Sind meine Geschichten autobiografisch? Na klar! Viele Charaktere habe ich so dreist aus dem realen Leben kopiert, dass sie jeder Testleser, der sie kennt, sofort erkannt hat. Besonders die Antagonisten (wie z.B. Tonauac aus Fleisch aus Gold oder Othas aus Land der verlorenen Dinge) orientiere ich gerne an mir selbst: Emotionale Fanatiker voller Selbsthass. Kein Scherz! Das tue ich wirklich.
„Denkst du wirklich so, wie du schreibst?“
Was ich an dieser Frage nicht leiden kann, sind die Hobby-Psychologen, die sie oft stellen und dem jeweiligen Schreiber daraufhin alle möglichen Konflikte, Ängste und düsteren Begierden diagnostizieren. Auch wenn da sogar wirklich was dran sein kann (wie z.B. der sogenannte Mary-Sue-Charakter), wird da oft zu viel zwischen den Zeilen gelesen, ähnlich wie man im Deutschunterricht Gedichte überinterpretiert – wo dann jedes Blütenblatt für eine gewaltsame Entjungferung steht.
Zum Thema: In der Literaturwissenschaft spricht man von einer Prämisse, im Deutschunterricht nennt man es noch ganz profan die Aussage und im Märchen folgt am Ende gern „die Moral von der Geschicht‘“ – und bedeutet, dass ein Autor mit seinem Roman eine Idee, einen Gedanken, eine Warnung oder eine Philosophie mitteilen will. Für viele gehört das zu den Grundlagen der guten Schriftstellerei. Ob eine Geschichte allerdings auch stets die Ideale und Vorstellungen ihres Schöpfers wiedergibt (wie z.B. Altas warf die Erde ab von Ayn Rand), wage ich zu bezweifeln.
Ein gutes Beispiel für die Wirren des kreativ-kommerziellen Schreibens ist die bildhübsche Frauenrolle, die sich schon fast psychotisch an den smarten Protagonisten ranschmeißt. Diese wird gern als eine Masturbationsphantasie des Autoren gesehen – und das kann gerade bei jungen Fan-Fiction-Autoren auch wahr sein –, ist aber oft auch ein Charakter, der nachträglich vom Verleger hinzugefügt wurde, weil z.B. „ein Fantasyroman seine Erotik braucht“ (Originalzitat). Dass sich der zeitreisende Timelord Dr. Who in der gleichnamigen TV-Serie stets mit bildhübschen, jungen Mädchen umgibt (und sie sogar recht kaltherzig entsorgt, sobald sie zu welken beginnen), ist vermutlich demselben Motiv geschuldet.
Ansonsten sind Romane einfach das wohl analogste Medium überhaupt, das nicht wie Filme und Comics auf Farben, Mimik und Bildaufbau zurückgreifen kann. Gedanken sind hier alles. Ein Winter fühlt sich nur kalt an, wenn der Charakter schmerzhaft friert. Ein Bösewicht ist nur böse, wenn er Böses denkt und uns als Leser in seinem pulsierenden Wahnsinn baden lässt – nicht nur in seinen Taten (die blöde Prostituierte hat schon jeder bessere Serienkiller in einen Müllcontainer entsorgt), sondern auch in seinen Plänen, seinen dunklen Phantasien und feucht-finsteren Begierden.
Das trennt aus meiner Sicht die guten Autoren von den schlechten: Einem Guten nehme ich ab, dass er von den Vergewaltigungs- oder Würgephantasien seines Antagonisten wirklich angetan ist. Chuck Palahniuk (Fight Club) oder Christian Kracht (Imperium) können das z.B. richtig gut. Gerade Letzter konnte mit fast perverser Lust davon erzählen, wie sein Augustus Engelhart den eigenen Daumen verspeist.
Ach ja: „Der größte Fehler, den ein Schriftsteller begehen kann, ist es, an den Müll zu glauben, den er von sich gibt“ – Zitat von Mark Twain oder so.
„Kannst du mir helfen, mein Buch zu veröffentlichen?“
Ganz ehrlich, wäre ich vor fünf Jahren einem Autoren begegnet, also einem „richtigen“, hätte ich ihn das auch gefragt. Wahrscheinlich in einem sehr flehenden Ton, bevor ich versucht hätte, ihn vom intellektuellen Tiefgang und der farbenfrohen Atmosphäre meines Werks zu überzeugen. Dass es eine Veröffentlichung wert sei und so weiter.
Andersherum wurde ich das zum Glück wurde noch nie gebeten, denn ich wüsste nicht, was ich darauf antworten sollte.
Ein anderer, im Gegensatz zu mir „richtiger“ Schriftsteller gab mir dazu einen guten Satz mit auf den Weg (dessen Richtigkeit ich bis heute nicht überprüfen konnte): „Die kleinen Autoren können dir nicht helfen, die großen wollen es nicht.“
„Ich habe so ein krasses Leben hinter mir. Hast du nicht Lust, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben?“
Ah, das Leben, das es nicht wert war, gelebt, dafür aber geteilt zu werden.
Solchen Leuten glaube ich im allermeisten Fall. Ja, ich glaube, dass das Leben alles andere als gut zu ihnen war und die meiste Zeit Steine in den Weg gelegt hat. Das tut es gern. Aber das macht noch lange kein kommerziell attraktives Buch …
Tatsächlich erhalten die Verlage deutschlandweit und international eine unglaubliche Zahl an Biopics, von der gestressten, alleinerziehenden Hausfrau bis zur verzweifelten Jungerwachsenen, die seit ihrem achten Lebensjahr regelmäßig von ihrem Vater vergewaltigt wurde – mehrere Zehntausend allein in Deutschland und lehnen sie im Regelfall allesamt ab. Biografien sind aus Gewinngründen nur interessant, wenn sie von einer berühmten Persönlichkeit erzählen (deren Werdegang zum großen Ruhm meistens mit „Ich bin’s dann irgendwann geworden“ zusammenzufassen ist). Jeder andere hatte einfach nur ein hartes Leben.
Wenn du wirklich dein Leben mit der Welt teilen willst, habe ich zwei Tipps für dich:
A) Lass es! Du gibst hier Fremden mehr Macht über dich, als du glaubst! Und mit „professionellen Hatern“ können sogar die meisten professionellen Künstler nicht umgehen. Manche trieb es sogar in den Selbstmord (und damit meine ich nicht Amanda Todd, falls das jemandem etwas sagt). Von den Hobby-Psychoanalytikern, die sich auch an deine Fersen heften, ganz zu schweigen.
Aber wenn du es trotzdem versuchen musst, dann B) werde ein Blogger! Die Templates dazu sind schnell gefunden und einfach zu bedienen: Blogger, Tumblr oder auch (zumindest im deutschen Raum) Underdogs wie LinkedIn oder MySpace bieten leicht erstellbare, gut organisierte Blog-Bausätze und sind noch leichter mit allen Sozialen Netzwerken zu verknüpfen.
Wenn du mir einen Link schickst, lese ich sie gerne! Ich liebe Online-Tagebücher. Ein Großteil meiner Charaktere wurde von Menschen inspiriert, die ihr Leben online stellten.
Aber bitte nicht mich darum, dein Leben aufzuschreiben. Zum einen verfasse ich keine Biographien; zum anderen wüsste ich auch nicht, wo ich deine veröffentlichen soll.
„Ich hätte eine tolle Idee für einen Roman. Wie wär’s, wenn du ihn schreibst und wir teilen den Gewinn?“
Das wurde ich bereits mehrfach gefragt. Zweimal habe ich es sogar aus bloßer Neugier versucht … vor allem, weil die Fragende mit mir zusammen war. Geklappt hat es nie. Es kollidierten einfach zu viele Vorstellungen und Ideen miteinander.
Aber mal abseits davon: Eine tolle Idee macht noch lange keinen tollen Roman. Was ein Buch wirklich lesenswert werden lässt, sind „die Geschichten in der Geschichte“, die Dialoge, die Erzählgeschwindigkeit, die Abwechslung, Sprachmelodie und sogar solche „Nebensächlichkeiten“ wie die Junktur (dafür wird mich meine Lektorin umbringen).
Ein gutes Beispiel hierfür sind aus meiner Sicht die Eberhofer-Romane meiner Freistaatsgenossin Rita Falk: Die Mordfälle des mürrischen Kommissars vom Lande sind aus meiner Sicht weder kreativ noch spannend in ihrer Auflösung. Trotzdem habe ich die Bücher gieriger verschlungen als die Harry Potter-Reihe. Einfach weil die unglaublich lebensechten, aber trotzdem witzigen Charaktere, ihre Sprüche und ihre belanglos-lustigen Konflikte Spaß machen. Würde man Rita Falks Ideen jedoch auf das ganz rohe Konzept reduzieren, wären sie bestenfalls Neuaufgüsse schon tausendmal erzählter Krimi-Geschichten.
Schreib den Roman besser selbst. Nicht böse gemeint, aber was ich daraus machen würde, wird deinen Vorstellung beleidigend wenig besprechen. Aber ich bin gern beim Brainstorming dabei!
„Ich wollte auch schon immer mal ein Buch schreiben.“
Okay. Und jetzt willst du ein paar von den Pillen, die ich schlucke, bevor ich an’s Schreiben gehe? Sorry, aber mein Scriptoxil teile ich mit niemandem!
Ernsthaft: Der Satz ist einen eigenen Blog wert: KLICKEN SE MA HIER!
„Ich kenne ein Buch, das genau dieselbe Story hat.“
Meins ist besser.
„Der Kaffee ist alle.“
Autoren werden gerne kritisiert, für ihre Werke; dafür, dass sie einfach nur existieren, für ihr Aussehen und jede noch so unbedeutende Kleinigkeit. Wenn’s sein muss für ihr Auto. Sie werden runtergemacht, kleingemacht, belächelt, bemitleidet, verachtet, verlacht. In manchen Ländern bringt man sie sogar um.
Das alles ist ja irgendwo noch okay – würde man uns nicht runtermachen, würden wir uns nicht so angstverstört viel anstrengen und wenn man uns nicht regelmäßig ermordet, nimmt uns keiner mehr ernst. Aber einem Kreativen, gleich welcher Natur, sein Koffein vorzuenthalten … sorry, das hat was von Waterboarding mit Kindern. Wer sowas tut, telefoniert auch im Kino eine gute Stunde mit seiner Ex. Für solche Leute ist der unterste Kreis der Hölle reserviert!
Ach ja, ich danke dem Autoren Chuck Wendig, dass ich diesen Satz aus seiner Liste klauen durfte, ohne ihm je Bescheid zu geben. Und da er kein Deutsch kann, wird er auch nie davon erfahren.
Wo wir gerade bei Chuck Wendig sind:
Wirklich empfehlenswert zu dem Thema ist sein, der sich mit dem gleichen Thema beschäftigt. Bevor du allerdings auf den Link klickst, der gleich nach diesem Absatz folgt, musst du zwei Dinge wissen: 1) Er ist in Englisch und 2) sehr sarkastisch verfasst. Ich konnte darüber schmunzeln, allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass nicht jeder Sarkasmus spricht …
Für 10 Dinge, die man laut Chuck Wendig nicht zu einem Autor sagen sollte: KLICKSTE HIER!